Masyafs berühmtester Bewohner wurde Sinan Raschid al-Din. Als "der Alte vom Berge" ging er in die europäischen Quellen ein.
Terror ohne Grenzen
Um 1164 übernahm er als Führer der Assassinen das Ruder. 30 Jahre lang leitete Sinan erfolgreich die Geschicke der Ismailis in Syrien. Um seine Person ranken sich Legenden, die wesentlich zum schlechten Ruf der Gemeinschaft beitrugen. So soll er seine Leute zu unberechenbaren Killern trainiert haben. Auch forderte er die jungen Männer angeblich auf, bestimmte Regeln des Koran zu ignorieren. Der Überlieferung nach kannte der Terror unter seiner Ägide keine Grenzen.
Unter den Mächtigen ging die Angst um. Keiner wusste, wann und wo Sinan das nächste Mal zuschlagen ließ. Seine Attentäter drangen sogar bis in die Schlafgemächer vor. Nicht immer brachten sie den Tod. Manchmal nur ein warmes Brot oder einen Dolch: neben das Kopfkissen gelegt - eine letzte Warnung. Und die Gewissheit: Es gibt kein Entrinnen, wenn es der "Alte vom Berge" so will.
Pakt mit den Kreuzrittern
Fast zwei Jahrhunderte lang war Krak des Chevaliers, die riesige Burg ganz in der Nähe von Masyaf, unbesiegte Residenz der Kreuzritter. Mit den Schwertbrüdern aus Europa machten die Ismailis zeitweise gemeinsame Sache - im Kampf gegen die sunnitischen Fürsten. Einerseits tauschten sie als Partner geheime Informationen aus und gingen den einen oder anderen Handel ein. Anderseits mussten die Assassinen den christlichen Kriegern hin und wieder Tribut zahlen - eine Art Schutzgeld. Zu besonders vertraulichen Gesprächen kam Sinan sogar höchstpersönlich. Der syrische Da'i hatte schon früh die Vorteile der Zweckverbindung erkannt.
Die übliche Taktik, mit dem Auslöschen einer Schlüsselfigur den Feind lahmzulegen, hätte bei den Kreuzrittern nicht gefruchtet. Die Position des Ermordeten wäre sofort neu besetzt worden. So trafen Sinans Dolche höchstens fünf Männer aus Europa. Trotzdem waren es ausgerechnet die Christen im Orient, die den Ismailis Hunderte von Morden in die Schuhe schoben. Und das, obwohl sie selbst in jeder Schlacht Tausende von Menschenleben im Namen der Religion opferten. Die Furcht vor den Assassinen ließ sogar den sagenumwobenenen Saladin erschauern. Der Sultan war gekommen, um die europäischen Krieger aus dem Land zu drängen.
Niedergang des Geheimbundes
Während des Kampfes um Aleppo schickte Sinan seine Fida'ii aus. Doch der Anschlag auf Saladin misslang. Die Attentäter kamen im Handgemenge um - wie fast immer. Als Vergeltung belagerte Saladin die Festung Masyaf, musste aber unverrichteter Dinge wieder abziehen. Es dauerte noch bis 1273, bis der Stern des Geheimbundes in Syrien engültig verlosch. Gegen Einfluss und Übermacht der Kalifen und ihrer Armeen hatte er letztlich keine Chance. Die ismailische Gemeinschaft blieb schutzlos zurück.
Auch Alamut im fernen Persien war dem Untergang geweiht. Dort besiegelten 1256 die Mongolen das Schicksal der berüchtigten Organisation. Wie ein Orkan stürmten die Reiterhorden aus dem Osten durch das Land. Die Festungen der Ismailis leisteten erbitterten Widerstand. Erst nach drei Jahren konnten die Soldaten des Khan den Hauptsitz hoch oben in den Bergen einnehmen.
Ein gigantisches Feuer vernichtete weite Teile der Anlage bis auf die Grundmauern. Die wertvolle Bibliothek brannte lichterloh. Das Lebenswerk von Hasan-e Sabbah in Schutt und Asche - mit Ausnahme einiger weniger Bücher. Gerettet von Dschuweini, dem Sekretär des mongolischen Eroberers. Der Sunnit erhielt die Erlaubnis, eine Auswahl der gesammelten Schriften mitzunehmen. Darunter auch Hasans Autobiographie. Auf dieser Grundlage verfasste Dschuweini seine "Geschichte der Ismailis". Sie steht im Anhang seiner bekannten Chronik über die Eroberungen der Mongolen.